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Platon: Theaitetos


Dozent/in Gregor Damschen, M. A.
Veranstaltungsart Übung
Code FS101293
Semester Frühjahrssemester 2010
Durchführender Fachbereich Philosophie
Studienstufe Bachelor
Termin/e wöchentlich (Di), ab 23.02.2010, 10:00 - 12:00 Uhr, Union U 1.01
Umfang 2 Semesterwochenstunden
Turnus Wöchentlich
Inhalt Können wir überhaupt etwas wissen und, falls ja, was können wir wissen? Wie erlangen wir dieses Wissen, und was ist eigentlich Wissen? In Platons Dialog "Theaitetos" werden diese Fragen aufgeworfen und diskutiert - Fragen, die jeder überdenken sollte, der sich oder anderen Wissen zuschreibt; und wer von uns macht das nicht? Mit der methodischen Behandlung der Frage nach dem Wissen begründet Platon jenes Projekt, das später unter dem Namen der Erkenntnistheorie bzw. Epistemologie zu einer der theoretischen Grundlagendisziplinen der Philosophie geworden ist. Die Frage, was Wissen sei, wird von Sokrates und seinem Gesprächspartner, dem Mathematiker Theaitetos, im "Theaitetos" in vier Schritten diskutiert: Zunächst präsentiert Theaitetos Beispiele für Wissen. Da Beispiele alleine keine Definition ersetzen können, versucht sich Theaitetos im zweiten Schritt an einer ersten formgerechten Definition: Wissen ist Wahrnehmung. Diese Gleichsetzung führt aber, wie Sokrates zeigt, zu unhaltbaren Konsequenzen. Wenn Wahrnehmung in erster Linie etwas subjektiv Gebundenes ist, Wissen sich jedoch durch seine Intersubjektivität und Objektivität auszeichnet, kann ein Wissen, das nichts anderes als Wahrnehmung ist, kein Wissen mehr sein. Diese Position führt in eine radikale Wissenskritik. Zudem besitzt jedes Wissen eine Urteilsstruktur, die nicht eine blosse Wahrnehmung, sondern eine Meinung impliziert. Deshalb versucht es Theaitetos im dritten Schritt mit einer neuen Definition, die mit der Meinung eine Urteils- und mit der Wahrheit eine objektive Komponente ins Spiel bringt: Wissen ist wahre Meinung. Wahrheit und Meinung scheinen in der Tat notwendige Bedingungen für Wissen zu sein, doch sie sind zusammen noch nicht hinreichend für Wissen. Es gibt nämlich Fälle, in denen jemand zwar eine wahre Meinung hat, wir ihm aber trotzdem kein Wissen zuschreiben würden, weil seine Meinung nur durch Zufall wahr war. Deshalb benötigen wir eine dritte Komponente in der Definition, die ausschliesst, dass die wahre Meinung nur zufällig wahr ist. Theaitetos schlägt aus diesem Grund im letzten Schritt eine verbesserte Definition vor: Wissen ist wahre Meinung mit einer Rechtfertigung. Obwohl der Dialog mit diesem Vorschlag endet, ist klar, dass die Gesprächspartner (und mithin auch Platon) diese Definition noch nicht für die beste halten, und in der Tat ist diese letzte, dreiteilige Definition des Wissens als begründete wahre Meinung, wie wir spätestens seit Sokrates' Einwänden und einem einflussreichen Aufsatz von Edmund Gettier (1963) vermuten dürfen, noch unvollständig. Wir werden im Seminar prüfen, ob Platons Dialog Hinweise auf eine angemessene Definition des Wissens bietet, die auch mit Gettiers Einwänden fertig werden könnte.
Lernziele Der Kurs soll mit einer zentralen erkenntnistheoretischen Fragestellung vertraut machen sowie hermeneutische Kenntnisse und Methoden vermitteln, die es den Studenten ermöglichen, sich schwierige und anspruchsvolle philosophische Texte als ganze zu erschliessen.
Voraussetzungen Die Bereitschaft, sich über einen längeren Zeitraum intensiv mit einem intellektuell herausfordernden philosophischen Problem zu beschäftigen, und die Kraft, einen anspruchsvollen Text als ganzen ausführlich zu studieren. Griechisch- und Logikkenntnisse sind sehr hilfreich, werden aber für den Kurs nicht explizit vorausgesetzt.
Für Bachelor Theologie: Besuch einer Hauptvorlesung des Fachbereichs Philosophie
Sprache Deutsch
Begrenzung Begrenzte Teilnehmerzahl: 20 Studierende
Hinweise Die Veranstaltung wird dem Bereich Theoretische Philosophie zugeordnet.
Übung (1): Die Übung ist ein Lektürekurs, der sich besonders für Bachelorstudierende im Grundstudium (1. - 2. Semester) eignet.
TF: Die Veranstaltung gilt als Lektürekurs.

Hörer-/innen Nach Vereinbarung
Kontakt gregor.damschen@unilu.ch oder gregor.damschen@phil.uni-halle.de
Literatur Zur Lektüre des "Theaitetos" sei folgende Ausgabe empfohlen, die sowohl eine deutsche Übersetzung als auch den griechischen Originaltext enthält: Platon, Werke in acht Bänden. Band 6: Theaitetos. Sophistes (Der Sophist). Politikos (Der Staatsmann). Griechisch und deutsch. Bearb. von Peter Staudacher. 4. Aufl. 2005 (unveränd. Nachdr. der 1. Aufl. 1970). WBG: Darmstadt. XV, 579 S. Forschungsliteratur: Edmund Gettier (1963): "Is Justified True Belief Knowledge?", Analysis 23, 121-123. Rainer Enskat (1998): "Authentisches Wissen. Was die Erkenntnistheorie beim Platonischen Sokrates lernen kann", in: Amicus Plato magis amica veritas. Festschrift für Wolfgang Wieland zum 65. Geburtstag, hg. Rainer Enskat, Berlin, 101-143. Jörg Hardy (2001): Platons Theorie des Wissens im "Theaitet", Göttingen. David N. Sedley (2004): The Midwife of Platonism: Text and Subtext in Plato's "Theaetetus", Oxford. Weitere Forschungsliteratur wird im Laufe des Seminars genannt.