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Forschungsseminar: Alltagswelten, Materialitäten, Bedeutungen – Die Sozialökologie von Lebensstilen


Dozent/in Guy Schwegler, MA
Veranstaltungsart Hauptseminar
Code FS211362
Semester Frühjahrssemester 2021
Durchführender Fachbereich Soziologie
Studienstufe Bachelor
Termin/e wöchentlich (Mi), ab 24.02.2021, 14:15 - 16:00 Uhr, HS 14
Umfang 2 Semesterwochenstunden
Inhalt Die Sozialstruktur- und Lebensstilanalyse sowie das damit verbundene Interesse für Ungleichheiten in Gesellschaften ist ein Kernbereich der Soziologie. Die empirischen Ergebnisse dieses Bereichs haben diverse theoretische Debatten befördert (Beck 1983; Lamont und Thévenot 2000; Reckwitz 2017), während gleichzeitig methodische Weiterentwicklungen im Zusammenhang mit den Analysen standen (Bourdieu 2016 [1982]). In den letzten Jahren wurden auch qualitative Verfahren und Mixed-Methods Ansätze zu einem wichtigen Teil der Sozialstrukturanalyse (Sachweh 2013; Behrmann et al. 2018). Eine Methodenpluralität ermöglicht es die verschiedensten Dimensionen von Lebensstilen zu beforschen und die Schwerpunktsetzungen der Akteur*innen in den Fokus der Analyse zu rücken: Was gehört überhaupt zu einer jeweiligen Alltagswelt von unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten? Welche Materialien werden in diesen Welten beigezogen? Und wie stellen die Personen dabei bestimmte Bedeutungen her? Diese Veränderungen im Bereich der Sozialstrukturanalyse sind nicht nur neue Entwicklungen, sondern sie schliessen auch an ältere Forschungstradition an, nämlich an den amerikanischen Pragmatismus bzw. den symbolischen Interaktionismus. Bereits in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts untersuchten nämlich die Vertreter*innen der sogenannten Chicago School mittels ethnografischen Methoden verschiedene Lebensstile in der namensgebenden US-Grossstadt (Becker et al. 1961; Whyte et al. 1996 [1943]). Diese Untersuchungen wendeten eine ökologischen Perspektive an, stellten eine Logik der Entdeckung ins Zentrum und versuchten so eine Repräsentation ansonsten fremder Lebenswelten zu erreichen (vgl. Niermann 2020; Cefaï 2021). Im Forschungsseminar «Alltagswelten, Materialitäten, Bedeutungen» möchten wir uns einem solchen ökologischen Ansatz der Lebensstilanalyse widmen. Im Verlauf des Semesters werden wir übergehen von der Erarbeitung theoretischer sowie methodologischer Grundlagen und der Diskussion möglicher Fragestellungen hin zur Datenerhebung und –analyse; immer im Hinblick auf das Forschungsprojekt der Seminarteilnehmer*innen. Ein gemeinsames Interesse gilt dabei den Veränderungen in den Lebensstilen, wie sie sich nach einem Jahr Corona-Pandemie zeigen (könnten).
E-Learning Bitte beachten: Die Zoom-Links zu den ersten drei Sitzungen werden auf OLAT publiziert.
Voraussetzungen Die Veranstaltungen «Einführung in die Methoden der empirischen Sozial- und Kommunikationsforschung» I+II sowie «Grundlagen der Multivariaten Statistik» sollen erfolgreich besucht worden sein. Ebenfalls hilfreich ist es, wenn Kenntnisse der Statistiksoftware R vorhanden sind.
Sprache Deutsch
Abschlussform / Credits Aktive Teilnahme (inkl. Ausarbeitung eines Forschungsprojekts) / 4 Credits
Hinweise Im Zentrum des Seminars steht eine eigene Forschungsarbeit, die geplant sowie empirisch umgesetzt wird; auch erste Kapitel werden im Verlauf des Semesters geschrieben. Die Forschungsarbeit wird je nach Teilnehmerzahl in Gruppen umgesetzt. Eine Teilnahme am Seminar ist daher nur dann zu empfehlen, wenn diese Forschungsarbeit auch geschrieben wird.
Hörer-/innen Nein
Kontakt guy.schwegler@unilu.ch
Material Texte werden über OLAT zugänglich gemacht, während empirische Daten entweder selber erhoben bzw. recherchiert werden oder (im Falle von Sekundärdaten) zur Verfügung gestellt werden.
Literatur Beck, Ulrich. 1983. Jenseits von Klasse und Stand? Soziale Ungleichheit, gesellschaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Formationen und Identitäten. In Soziale Ungleichheiten, Soziale Welt. Sonderband 2, 35–74. Göttingen: O.Schwartz.

Becker, Howard S., Blanche Geer, Everett Hughes, und Anselm L. Strauss. 1961. Boys in white: Student culture in medical school. Chicago, Ill: University of Chicago Press.

Behrmann, Laura, Falk Eckert, Andreas Gefken, und Peter A. Berger, Hrsg. 2018. „Doing inequality“: Prozesse sozialer Ungleichheit im Blick qualitativer Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS.

Bourdieu, Pierre. 2016. Die feinen Unterschiede: Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. 25. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Cefaï, Daniel. 2021. Ecologies of Institutions. In Pragmatic inquiry: critical concepts for social sciences, Hrsg. John R. Bowen, Nicolas Dodier, Jan Willem Duyvendak und Anita Hardon, 35–53. Abingdon, Oxon?; New York, NY: Routledge.

Lamont, Michèle, und Laurent Thévenot, Hrsg. 2000. Rethinking Comparative Cultural Sociology: Repertoires of Evaluation in France and the United States. 1. Aufl. Cambridge University Press.

Niermann, Debora. 2020. „Die Chicago School ist tot, lang lebe die Chicago School!“ Warum die transatlantische Ethnografierezeption einer Aktualisierung bedarf. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research Vol 21: No 3 (2020).

Reckwitz, Andreas. 2017. Die Gesellschaft der Singularitäten: zum Strukturwandel der Moderne. 1. Auflage. Berlin: Suhrkamp.

Sachweh, Patrick. 2013. Symbolische Grenzziehungen und subjektorientierte Sozialstrukturanalyse: Eine empirische Untersuchung aus einer Mixed-Methods-Perspektive. Zeitschrift für Soziologie 42: 7–27.

Whyte, William Foote, Reinhard Blomert, und Peter Atteslander. 1996. Die Street corner society: die Sozialstruktur eines Italienerviertels. Nach der 3., durchges. und erw. Aufl. aus dem Jahre 1981 übers. Berlin: de Gruyter.