Aus Sicht der Kritik an der Cancel Culture handelt es sich dabei um eine polemische Strategie, unliebsame Meinungen oder unerwünschte politische Positionen aus der öffentlichen Debatte auszuschließen und damit eine sachliche Diskussion zu verhindern, indem man sie mit dem – aus dieser Optik unsachlichen und diffamierenden – Vorwurf etwa von Diskriminierung, Rassismus, rechtsextremer oder unsolidarischer Gesinnung konfrontiert. Damit verbunden ist oft eine Kritik am ‚linksdominierten‘ medialen und akademischen ‚Mainstream‘, an einer illiberalen Moralisierung und Verengung der demokratischen Debattenkultur, sowie an den damit einhergehenden Bedrohungen der sozialen und beruflichen Existenz der Betroffenen. Aus der Perspektive der Kritisierten ist der Cancel Culture-Vorwurf dagegen selbst polemisch motiviert und als Diagnose unzutreffend: Das angebliche ‚Canceln‘ sei in Wirklichkeit ein moralisch gebotenes Insistieren auf sozial fortschrittlichen Normen, auf die sich gerade eine liberale demokratische Gesellschaft geeinigt habe und die zur Diskussion zu stellen ein gesellschaftlicher Rückschritt wäre. Von einer Cancel-Kultur könne nicht die Rede sein, Fälle illegitimer Zensur- und Ausschlusspraktiken bildeten die Ausnahme. Im Seminar beschäftigen wir uns anhand von theoretischen Ansätzen sowie anhand aktueller Fälle und Stellungnahmen mit dem Diskurs um die Cancel Culture und fragen uns, ob es sich dabei nur um ein in politischen Konflikten beschworenes Phantasma oder um eine soziale Realität handelt.

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