Inhalt |
Kulturgeschichte und -theorie der Klimaerwärmung
Die Klimaerwärmung beschäftigt nicht allein viele
interdisziplinäre Forschungsrichtungen, sie hat als Problem aufgrund ihrer
Dimension und Dringlichkeit zunehmend auch epistemische Auswirkungen in den
Wissenschaften selber: Hergebrachte Dualismen wie derjenige zwischen Natur und
Kultur müssen grundlegend neu befragt werden; die Stellung der Menschen (als
Spezies) sowie ihre Handlungsfähigkeit bedarf einer weiteren Prüfung;
klassische Ideen wie Autonomie, Fortschritt oder Freiheit erweisen immer
stärker ihre materiellen Kehrseiten; und auch die Vorstellung von Geschichte
mit dem Globus als ihrem Schauplatz steht angesichts der Geschwindigkeit
ökologischer Veränderungen (Klima, Biodiversität, Abholzung, Verschmutzung der
Ozeane, generelle Überbeanspruchung von Ressourcen) vor einer Revision, bei der
die physische Natur selbst zum Teil von Geschichte wird. Das sogenannte
Anthropozän, daran erinnert der Historiker Dipesh Chakrabarty, war lange kein
Name für ein Zeitalter, sondern für das gewaltige „Ausmaß des menschlichen
Einwirkens auf den Planeten“.
Zahlreiche kulturtheoretische und kulturgeschichtliche
Unternehmungen beschäftigen sich gegenwärtig mit diesen Problemstellungen. Im
Hauptseminar stehen drei einschlägige Monografien im Zentrum: Bruno Latour, Kampf
um Gaia (2015/dt. 2017); Dipesh Chakrabarty, Das Klima der Geschichte im
planetarischen Zeitalter (2021/dt. 2022) und Pierre Chardonnier, Überfluss
und Freiheit (2020/ dt. 2022). Begleitend behandeln wir Texte von Donna
Haraway, Félix Guattari und Philippe Descola. |