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Wessen Kinder? Ethnologische Perspektiven auf Adoption und Verwandtschaft


Dozent/in Nora Anna Lipp
Veranstaltungsart Proseminar
Code FS251448
Semester Frühjahrssemester 2025
Durchführender Fachbereich Ethnologie
Studienstufe Bachelor
Termin/e wöchentlich (Do), ab 20.02.2025, 16:15 - 18:00 Uhr, 3.B55
Umfang 2 Semesterwochenstunden
Turnus wöchentlich
Inhalt

Dieses Proseminar für Bachelorstudierende bietet eine Einführung in ethnologische Perspektiven auf Adoption und Verwandtschaft. Bereits frühe ethnographische Monografien erwähnen Adoptionspraktiken, diese lösten damals jedoch nur wenig theoretisches Interesse aus. Erst in den 1970er Jahren untersuchten Anthropologen in verschiedenen kulturellen Kontexten gezielt familiäre Konstellationen, bei denen Kinder nicht bei ihren ´biologischen´ Eltern aufwachsen. Diese Untersuchungen legten den Fokus darauf, wer wen adoptiert und aus welchen Gründen dies geschieht. Später kritisierten Anthropologen, die die kulturelle Variabilität von Verwandtschaft betonten, dieses Konzept der ´biologischen´ Elternschaft und Verwandtschaft. Diese Kritik gewann mit dem Aufkommen der neuen Reproduktionstechnologien an Schwung und die mögliche Pluralität ´biologischer´ Elternschaft weckte das Interesse der Forschenden: Wie verändert sich das Verständnis von Elternschaft, wenn Muttermilch, Spermien und Eizellen weitergegeben werden? Gleichzeitig rückte die Bedeutung ´sozialer´ Elternschaft in den Fokus. Die „New Kinship Studies“ betonen seit den 1990er Jahren die Prozesshaftigkeit und Performativität von Verwandtschaft: Soziale Handlungen seien oftmals relevanter für das Entstehen von Verwandtschaft als Gene, Blut und andere ´biologische´ Elemente. In dieser Debatte, die heutzutage oft entlang der spaltenden Frage geführt wird, ob Verwandtschaft ein „soziales Konstrukt“ oder eine „biologische Tatsache“ sei, nimmt Adoption eine Schlüsselrolle ein, da sie sichtbar macht, wie und zwischen wem Verwandtschaft sozial anerkannt wird; gleichzeitig wirft Adoption die Frage auf, ob diese Debatte nicht auf der falschen Dichotomie zwischen ´Biologie´ und ´Kultur´ basiert, die durch die Unschärfe des Begriffs „Verwandtschaft“ verschleiert wird.

Gemeinsam diskutieren wir klassische ethnologische Texte zur Adoption und widmen uns anhand konkreter ethnographischer Fallstudien Fragen wie: Entsteht durch Adoption Verwandtschaft? Und wenn ja, wie? Welche Rolle spielen Zeugung, Schwangerschaft, Geburt, Gene, Blut, Füttern, Wohnen, Aufzucht, Sorgerecht und andere Elemente in diesen Texten über Adoption? Was ist diesbezüglich der Unterschied zwischen Adoption und Pflegeverhältnissen? Welche kulturspezifischen Merkmale zeigen sich beim Verständnis von Adoption? Wie nehmen Kinder, Adoptiveltern und ´biologische´ Eltern Adoptionen wahr?

Sprache Deutsch
Anmeldung ***Wichtig*** Um Credits zu erwerben ist die Anmeldung zur Lehrveranstaltung über das UniPortal zwingend erforderlich. Die Anmeldung ist ab zwei Wochen vor bis zwei Wochen nach Beginn des Semesters möglich. An- und Abmeldungen sind nach diesem Zeitraum nicht mehr möglich. Die genauen Anmeldedaten finden Sie hier: www.unilu.ch/ksf/semesterdaten
Abschlussform / Credits Aktive Teilnahme / 4 Credits
Hörer-/innen Nein
Kontakt nora.lipp@unilu.ch
Literatur

Alber, Erdmute
2014  Soziale Elternschaft im Wandel. Kindheit, Verwandtschaft und Zugehörigkeit in Westafrika.
Berlin: Dietrich Reimer Verlag

Archambault, Caroline
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1970  Adoption in Eastern Oceania. Honolulu: University of Hawaii.

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