In diesem Seminar gehen wir der Frage nach, was wir über die Gesellschaft und die digitale Ökonomie erfahren können, wenn wir sie durch den Blick des finanziellen Betrugs anschauen. Wir werden uns mit einer Reihe von empirischen Betrugsfällen (FTX, Wirecard, OneCoin, Multi-Level-Marketing, Social Media Scams, Credit Card Fraud) und den dazugehörigen Technologien auseinandersetzen, um die Voraussetzungen sowie technische und sozialen Funktionsweisen von Betrug zu analysieren:
1. Welche Technologien sind involviert und welche technischen Affordanzen ermöglichen Betrug (z.B. Anwesenheit/Abwesenheit)? 2. Was sind die sozialen Voraussetzungen, damit Betrug stattfinden kann (z.B. ein Enkeltrickbetrug)? 3. Mit welchen gesellschaftlichen Idealen (»Imaginaries«) sind Finanztechnologien verbunden (z.B. wer kann durch ihre Anwendung reich werden und wer eher nicht)? 4. Wie werden legitime Geschäftspraktiken von illegitimen abgegrenzt?
Als Arbeitsthese gehen wir davon aus, dass Betrugsversuche dann funktionieren, wenn sie die richtigen Imaginaries bedienen (z. B. Bitcoin als Mittel, um für alle reich zu werden, nicht nur für die Finanzelite), die technischen Affordanzen für sich einsetzen oder hintergehen können (z. B. die wahrgenommene Raffinesse der Technologie) und zumindest vorübergehend die sozialen Beziehungen neu ordnen können (i.e. es werden tatsächlich einige Tellerwäscher reich).
In einem zweiten Teil des Seminares verknüpfen wir diese Erkenntnisse mit einer Analyse der sozialen Effekte von Betrug: wie sind Technologien und alltägliche sowie organisationelle Praktiken und auf die Entdeckung, Vermeidung und Bekämpfung von Betrug ausgerichtet? Zudem gehen wir der Frage nach, wie die aktive Abgrenzung von Betrügereien konstitutiv ist für »Business as usual«. |