Dozent/in |
Lic. phil. Stefan Nellen |
Veranstaltungsart |
Hauptseminar |
Code |
HS111312 |
Semester |
Herbstsemester 2011 |
Durchführender Fachbereich |
Wissenschaftsforschung |
Studienstufe |
Bachelor
Master |
Termin/e |
wöchentlich (Di), ab 20.09.2011, 10:00 - 12:00 Uhr, 4.B54 |
Umfang |
2 Semesterwochenstunden |
Turnus |
Wöchentlich |
Inhalt |
In Archive gelangen Dokumente und Dinge, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Dort werden sie bewertet, kassiert, verzeichnet, geordnet, abgelegt – und so neuen (sekundären) Gebrauchsweisen zugänglich gemacht. Archive sammeln nicht einfach Dokumente, sondern stellen diese erst her und bereit. Sie vereinigen folglich die drei medientechnischen Funktionen der Speicherung, Übertragung und Berechnung. Während die Funktionen der Speicherung und Übertragung in den letzten Jahren sehr gut erforscht worden sind, gibt es kaum praxeologische Untersuchungen zu Archiven als Orten der Wissensproduktion.
Archive lassen sich mit Bruno Latour als »Berechnungszentren« begreifen, die ›Papiere‹ als Dokumente bestimmen, neu mischen, verbinden und zusammenstellen, so »dass vollkommen neue Phänomene auftauchen«. Im Archiv treffen solche Dokumente, die Sachbearbeiter nach archivarischen Kriterien und Regeln erschlossen haben, auf Forscherinnen mit wissenschaftlichen Praktiken und Techniken, die in ihren Projekten andere Erkenntnisinteressen verfolgen. Archive strukturieren auf diese Weise nicht nur die Forschungen von Historikern (überlieferte Akten), sondern auch von Juristen (Akteneinsicht, Datenschutz), Naturwissenschaftlerinnen (Dokumentationen) und Sozialwissenschaftlern (Datensammlungen, Statistiken) und ko-produzieren so neues Wissen.
Im Seminar wird es darum gehen anhand von ausgewählten Fallstudien aus den Sozial- und Naturwissenschaften die epistemologische Funktion von Archiven zu analysieren: Was geschieht mit den Materialien im Archiv? Welche Praktiken und Techniken kommen in Archiven zum Zug? Wie werden ›Papiere‹ zu Dokumenten und Dokumente im Zugriff von Natur- und Sozialwissenschaften zu Daten? Auf was für Archive und Daten greifen Sozial- und Naturwissenschaften zurück? Welche Praktiken und Techniken haben diese Wissenschaften für die Arbeit im Archiv ausgebildet? Welche Effekte auf Forschungsre-sultate haben Archive und deren Datensammlungen? Welchen Einfluss auf die Wissen-schaftspraxis hat die Medialität der Archive? Wie lässt sich die Koproduktion von Archiv, Archivarinnen, Forschern und Dokumenten soziotechnisch charakterisieren? |
Lernziele |
Einführung in die Arbeit mit Archivmaterial und in die Wissenschaftsgeschichte des Archivs, Grundlagenreflexion wissenschaftlichen Arbeitens. |
Sprache |
Deutsch |
Abschlussform / Credits |
Aktive Teilnahme (Referat, Essay) / 4 Credits
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Hinweise |
Das Seminar ist Teil des Angebots im Major Wissenschaftsforschung im Rahmen des ISK (MA). Es ist für die Vertiefungsbereiche 'Praktiken' und 'Objekte' anrechenbar. |
Hörer-/innen |
Ja |
Kontakt |
stefan.nellen@unibas.ch |
Literatur |
- Wolfgang Ernst, Das Rumoren der Archive. Ordnung aus Unordnung, Berlin 2002.
- Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Frankfurt a. M. 1973.
- Anja Horstmann, Vanina Kopp (Hg.), Archiv – Macht – Wissen. Organisation und Konstruktion von Wissen und Wirklichkeiten in Archiven, Frankfurt a.
M./New York 2010.
- Bruno Latour, Drawing Things together: Die Macht der unveränderlich mobilen Elemente, in: Andréa Belliger, David J. Krieger (Hg.), ANThology. Ein einführen-
des Handbuch in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Bielefeld 2006, 259-308.
- Philipp Müller (Hg.), Vom Archiv. Erfassen, Ordnen, Zeigen = Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 18/2 (2007).
- Sven Spieker (Hg.), Bürokratische Leidenschaften. Kultur- und Mediengeschichte im Archiv, Berlin 2004.
- Cornelia Vismann, Akten. Medientechnik und Recht, Frankfurt a. M. 2000.
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