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Stafrechtsdogmatik befasst sich hauptsächlich mit den Voraussetzungen der Strafbarkeit (Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld, Versuch, Beteiligung etc.) und mit den einzelnen Tatbeständen des Besonderen Teils unseres StGB. Erst auf der Rückseite solcher Überlegungen beginnt, was den Beschuldigten in der Regel interessiert, z.B. die Frage, wie der Richter die Strafe des Täters zumisst. Diese Strafzumessung wird vielfach als irrationaler Vorgang beschrieben: «Die fünfte Grundrechenart besteht darin, dass zuerst der Schlussstrich gezogen und das erforderliche und gewünschte Ergebnis darunter geschrieben wird. Das gibt dann einen festen Halt für die waghalsigen Operationen, die anschliessend und über dem Schlussstrich erfolgen. Dort nämlich wird dann addiert und summiert, dividiert und abstrahiert, multipliziert und negiert, subtrahiert und geschönt, gross- und kleingeschrieben nach Bedarf, wird die Wurzel gezogen und gelegentlich auch schlicht gelogen.»file:///g:/dekanat_rf/lehre/seminare_proseminare/2017%20hs/veranstaltungsbeschriebe%20prosem_sem_falll_hs17.docx#_ftn1 Wir wollen uns in diesem Seminar Klarheit über den Vorgang der Strafzumessung verschaffen: Welche Umstände gilt es zu berücksichtigen, und wirken sie sich zugunsten oder zulasten des Verurteilten aus? Das verlangt auch, dass wir uns Überlegungen zu Sinn und Zweck von Strafen und ihrer Funktion in der heutigen Gesellschaft anstellen. Stehen schliesslich Jahr und Tag der Strafe fest, die der Täter im Strafvollzug zu verbüssen hat, so ist die Arbeit für den Richter vorerst beendet. Für den Verurteilten hingegen «geht es erst richtig los». Welches sind die Rechte des Inhaftierten? Hat er Anspruch auf eine Verteidigung im Strafvollzug? Inwieweit können Menschenrechte im Vollzug eingeschränkt werden? Wie lange dauert eine lebenslängliche Freiheitsstrafe? Ab wann darf ein Täter aus dem Strafvollzug bedingt entlassen werden? Das Seminar soll auch den Strafvollzug genauer unter die Lupe nehmen und untersuchen, inwiefern der Strafvollzug seinen eigenen Zielen, den Strafzwecken und den Menschenrechten Rechnung tragen kann. Wir wollen so in diesem Seminar den Spagat von den Grundfragen der Strafzumessung bis hin zur Ausgestaltung der bedingten Entlassung wagen. Themen für die Seminararbeiten* Zur Strafzumessung · Zum Verhältnis von Art. 47 Abs. 1 Satz 1 vs. Satz 2 – ein Widerspruch in den Strafzumessungsgrundsätzen?
· Versuche rechtsgleicher Strafzumessung: Angriff auf das richterliche Ermessen?
· Strafempfindlichkeit und Rechtsgleichheit
· Wie lässt sich die (Freiheits-)Strafe heute noch rechtfertigen?
· Wird Art. 59 Abs. 3 StGB in der Praxis missbraucht?
· Rolle der Gutachter bei der Anordnung von freiheitsentziehenden Massnahmen
· Die Landesverweisung in der Strafzumessung
· Was nützt die Freiheitsstrafe? Wirkungsmessung des Freiheitsentzugs und Rückfall
Zum Strafvollzug · Überbelegung der Strafvollzugsanstalten in der Schweiz – Problematik und Lösungsansätze
· Entlassen – was nun? Bewährungshilfe und Weisungen auf dem Weg in die Freiheit
· Erstmals oder erneut ins Gefängnis? Widerruf des bedingten Strafvollzugs und der bedingten Entlassung
· Nachträgliche Anordnung von Massnahmen
· Aufgabenverteilung zwischen Justiz und Verwaltung nach rechtskräftigem Urteil – System oder Chaos?
· Verteidigung im Strafvollzug: Geboten oder überflüssig?
· Brauchen wir ein eidgenössisches Strafvollzugsgesetz?
· Menschenrechtliche Vorgaben des Strafvollzugs
· Die verschiedenen Gesichter der Freiheitsstrafe im Vollzug (Intensität der Strafe)
· Wie gefährlich ist gemeingefährlich? – Die Prognosemethoden der Psychiatrie zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit
* Die Themen dienen lediglich der Illustration des Seminarinhaltes; die definitive Themenliste wird Ihnen mit der Bestätigung der Seminaranmeldung zugestellt. file:///g:/dekanat_rf/lehre/seminare_proseminare/2017%20hs/veranstaltungsbeschriebe%20prosem_sem_falll_hs17.docx#_ftnref1 Christoph Hein, Die fünfte Grundrechenart, in Michel Naumann (Hrsg.), Die Geschichte ist offen, Reinbek 1990, 60.
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