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Der Blick des Tiers, schreibt der Schriftsteller Paul Valéry, «vermittelt mir den Gedanken eines Gesichtspunkts, eines Gesehen-werdens-von, und weitergedacht eines reservierten Winkels, eines intimen Bereichs oder Für-sich-seins, einer Kapelle, in der keine Dinge sind, die ich kenne, und in der Dinge sind, die ich nicht kenne.» Das Tier, deutet Valéry an, ist dem Menschen fremd. Es lebt in einer eigenen Welt, die sich von der Welt des Menschen nach ihren Inhalten (den Dingen) unterscheidet. Schärfer formuliert: Was Tiere kennen, was sie erleben und empfinden, wie ihr Erleben und Empfinden strukturiert ist, kann von Menschen nicht ohne Weiteres verstanden, das heisst nachvollzogen werden. Gewöhnlich mag dies unbemerkt bleiben, bei nahestehenden Tieren meinen wir sogar, sie sehr wohl zu verstehen. Aber im Blick des Tiers auf den Menschen – und von diesem besonderen Blick spricht Valéry – gewinnt die Fremdheit Präsenz: «Ich weiß nicht, wofür ich in jener Ecke dort (aus der das Tier blickt) Zeichen bin.» Und man darf hinzufügen: Ich kann nicht einmal sicher wissen, ob ich als Mensch, als Ding, als irgend etwas in diesem Blick überhaupt vorkomme. Von dieser Unsicherheit soll im Seminar die Rede sein. Offenkundig eignet ihr eine gewisse Produktivität, von der schon Valérys Notiz zeugt. Die Fremdheit des Tiers gibt dem Menschen zu denken und sie stösst an, sich vorzustellen, wie die Welt eines Tiers aussehen könnte. Die Unsicherheit schafft aber zugleich Probleme: Ist es überhaupt möglich, Tiere zu verstehen, ihre Lebensweise und ihr Erleben aufzuschliessen, was ist dafür zu beachten und welche Reduktionen werden vorgenommen, wo Tiere zum Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis werden? |