Die Publikation
von «Die Struktur der wissenschaftlichen Revolutionen» im Jahr 1962 gilt, um
frivolerweise ein aktuelles Wort zu benutzen, als Zeitenwende im historischen
und philosophischen Verständnis der Naturwissenschaften. Verfasser des Buches ist
der amerikanische Wissenschaftshistoriker und -philosoph Thomas S. Kuhn
(1922-1996), zunächst als Physiker ausgebildet und seit den 1950er Jahren mit
Untersuchungen zur Physuk- und Astronomiegeschichte hervorgetreten.
Kuhns Buch
liefert eine Theorie wissenschaftlicher Umbruchssituationen, einschlägig ist es
aber insbesondere für seine begrifflichen Neubildungen: Normalwissenschaft,
Anomalie und natürlich zuerst, Paradigma. In den 1960ern und 1970ern heiss
diskutiert, unter anderem für die Frage nach dem wissenschaftlichen
Fortschritt, ist das Buch in den folgenden Jahrzehnen mehr und mehr zu etwas
geworden, was man üblicherweise Klassiker nennt: Ein Buch, das nach dem Titel
im wissenschaftlichen Umfeld und weit darüber hinaus bekannt ist, das aber kaum
mehr gelesen wird.
Im Seminar
werden wir zwei Dinge tun. Im ersten Teil lesen wir das Buch gemeinsam und
werden uns den Gang der Argumentation und die wichtigsten Überlegungen Kuhns
vergegenwärtigen. Im zweiten Teil werden wir die Rezeption des Buches bei
seinem Erscheinen, Kuhns spätere Stellungnahmen und die Diskussion um das Buch
anläßlich des 50ten Jahrestags seiner Publikation 2012 studieren.
Was ist an dem
Buch weiterhin herausfordernd, und was ist aus dem Buch in den Jahrzehnten
seiner Rezeption geworden? |