Kaum ein strafrechtliches Thema berührt und bewegt die Bevölkerung so sehr wie das Sexualstrafrecht. Deshalb überrascht nicht, dass die kürzlich erfolgte Revision des Sexualstrafrechts nicht nur auf engagierte Unterstützung, sondern auch auf erhebliche Skepsis und Widerstand stiess, sowohl bei Laien als auch bei Fachpersonen. Nun treten die neuen Bestimmungen im Sommer 2024 in Kraft – ein guter Anlass, das neue Gesetz kritisch unter die Lupe zu nehmen. Mit der Revision sollte das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung einen besseren strafrechtlichen Schutz erfahren. Wurde dieses Ziel erreicht? Und was bedeutet sexuelle Selbstbestimmung überhaupt genau? Grosse Aufmerksamkeit hat die Neudefinition von Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 nStGB) erhalten – «Nur Ja heisst Ja» oder «Nein heisst Nein» waren die Schlagworte der Stunde. Am Ende hat sich die «Nein heisst Nein»-Lösung durchgesetzt; künftig macht sich also strafbar, wer «gegen den Willen» des Opfers eine sexuelle Handlung an diesem vornimmt oder einen «Schockzustand» ausnutzt. Was bedeutet das nun genau? Einige Änderungen wurden hingegen von Medien und Öffentlichkeit kaum registriert und diskutiert. Dies gilt zunächst für Art. 193a nStGB (Täuschung über den sexuellen Charakter einer Handlung). Was ist von diesem neuen Tatbestand zu halten? Hätte man sich allenfalls noch eingehender mit der Frage auseinandersetzen sollen, ob und inwieweit man sich «ins Bett lügen» darf? Mit Art. 197a nStGB (Unbefugtes Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten) wurde zudem ein Straftatbestand für sog. «Rachepornografie» eingefügt, dessen Inhalt und Reichweite noch nicht vollständig geklärt ist. «Rachepornografie» und ähnliche Phänomene wie «Upskirting», «Sextortion» und «Deepfake-Pornografie» stellten das bisherige (Sexual-)Strafrecht vor Herausforderungen. Wie geht das (neue) Recht mit diesen Phänomenen um, die im englischsprachigen Bereich als «Image Based Sexual Abuse» bezeichnet werden? All diesen und vielen weiteren Fragen soll im Seminar detailliert und kritisch nachgegangen werden. |