Termin/e |
Do, 24.10.2024, 16:15 - 20:00 Uhr, HS 15 Fr, 25.10.2024, 09:15 - 12:00 Uhr | 13:00 - 15:00 Uhr, HS 15 Sa, 26.10.2024, 09:15 - 13:00 Uhr, HS 15 Mi, 06.11.2024, 08:30 - 09:30 Uhr, HS 1 (Prüfung) |
Inhalt |
Die Strafrechtsentwicklung in Europa wird von zahlreichen und vielschichtigen Europäisierungsfaktoren allgemeiner und bereichsspezifischer Natur geprägt. Ein echter europäischer Rechtsraum, in dem die nationalen Strafrechtssysteme vereinheitlicht sind bzw. eine supranationale Strafgewalt mit eigenen Justizorganen aufgrund eines genuin europäischen Straf- und Strafverfahrensrechts tätig ist, existiert auch nach Inkrafttreten des Reformvertrages von Lissabon (noch) nicht. Dennoch hat sich in der Strafrechtswissenschaft die Rede vom „Europäischen Strafrecht“ als allgemein anerkannter Sammelbegriff für einen eigenständigen strafrechtlichen Forschungsgegenstand durchgesetzt. Es handelt sich dabei um eine Rechtsmaterie eigener Art, die sowohl strafrechtsrelevantes Unions- und regionales Völkerrecht als auch unions- und völkerrechtlich beeinflusstes nationales Strafrecht umfasst. Im Blickfeld des Europäischen Strafrechts stehen somit zum einen alle das Straf- und Strafverfahrensrecht der europäischen Staaten unmittelbar oder mittelbar beeinflussenden Normen der europäischen Verträge (EUV, AEUV) und des Völkerrechts (EMRK) sowie das abgeleitete Recht (z. B. Richtlinien, Verordnungen, Rahmenbeschlüsse, Übereinkommen) der supranationalen und internationalen Organisationen Europas (EU, Europarat, OECD). Zum anderen umfasst das Europäische Strafrecht die durch Primär- und Sekundärrecht in vielfältiger Weise überlagerten Strafrechtsregelungen des innerstaatlichen Rechts, also das europäisierte nationale Strafrecht („nationales Europäisches Strafrecht“). Schweizerische Jus-Studierende mag die Vorlesung dazu anregen, über die Frage zu reflektieren, welche Auswirkungen ein EU-Beitritt der Schweiz auf das Schweizerische Strafrecht hätte (vgl. hierzu Satzger, SchwZStR 119 (2001), S. 94 ff.). Darüber hinaus behandelt die Vorlesung einige Themenbereiche, die für den Nicht-EU-Staat Schweiz von unmittelbarer rechtlicher Relevanz sind, namentlich die Einflüsse der EMRK auf das nationale Strafverfahrensrecht sowie bilaterale Kooperationsformen im Bereich der internationalen Rechtshilfe und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wie z. B. der am 1. März 2002 in Kraft getretene deutsch-schweizerische Polizeivertrag. Seit 12.12.2008 ist die Schweiz assoziiertes Mitglied der polizeilichen und justiziellen Schengenkooperation mit den EU-Mitgliedstaaten und somit noch stärker als je zuvor in die grenzüberschreitende europäische Strafrechtspflege eingebunden. Die Grenzkontrollen an den Landesgrenzen sind entfallen. Bereits seit August 2008 arbeiten die Fahndungscomputer des Schengen-Informationssystems (SIS) und des nationalen Fahndungssystems Ripol zusammen. Im Übrigen dürfte die Strafrechtsentwicklung innerhalb der EU bei Schweizerischen Strafjuristen schon deshalb auf praktisches Interesse stoßen, weil sich aufgrund der zentralen geografischen Lage der von „EU-Ausland“ umgebenen Schweiz („Transitland“) vielfältige transnationale Fallkonstellationen ergeben. Für deren rechtliche Bewältigung erscheint es ungemein hilfreich, die jeweiligen EU-Bezüge zu kennen. Programm A. Grundbegriffe und Grundfragen des Europäischen Strafrechts I. Was ist „Europäisches Strafrecht“? II. Europäisches Strafrecht als rechtswissenschaftliche Querschnittsdis-ziplin III. Grenzüberschreitende Bezüge des Strafrechts 1. Internationales Strafrecht 2. Transnationales Strafrecht 3. Völkerstrafrecht B. Die Träger des Europäischen Strafrechts und ihre Hand¬lungs-formen I. Europarat 1. Strafrechtsrelevante Aktivitäten des Europarates 2. EMRK und Strafrecht II. Europäische Union (EU) III. EU-Mitgliedstaaten und Schweiz im Netzwerk polizeilicher und straf-justizieller Zusammenarbeit 1. Schengen-Kooperation 2. Intergouvernementale Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten 3. Bilaterale Kooperation zwischen der Schweiz und Deutschland C. Die strafrechtsrelevanten Europäisierungsfaktoren I. Assimilierungsprinzip II. Vorrang des unmittelbar geltenden Unionsrechts III. Unionsrechtskonforme Auslegung IV. Harmonisierung des Strafrechts in der EU D. Transnationales Doppelbestrafungsverbot (Art. 54 SDÜ) |
Literatur |
Was ist
unentbehrlich?
Zur Vor- und Nachbereitung verweise ich auf mein Lehrbuch, an dem sich
die Vorlesung orientiert:
• Bernd
Hecker, Europäisches Strafrecht, Springer Verlag, Heidelberg, 6. Aufl., 2021.
Sonstige Lehrbücher
• Robert Esser, Europäisches und
Internationales Strafrecht, Verlag C. H. Beck, München, 3. Aufl. 2023;
• Sabine Gless, Internationales
Strafrecht, Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel, 3. Aufl., 2021;
• Helmut Satzger, Internationales und
Europäisches Strafrecht, Nomos Verlag, Baden-Baden, 10. Aufl., 2022.
Aufsätze
• Gerhard Dannecker, Die Dynamik des
materiellen Strafrechts unter dem Einfluss europäischer und internationaler
Entwicklungen, ZStW 117 (2005), S. 697 ff.;
• Bernd Hecker, Sind die nationalen
Grenzen des Strafrechts überwindbar? – Die Harmonisierung des materiellen
Strafrechts in der Europäischen Union, JA 2007, 561 ff.;
• Helmut Satzger, Welche Veränderungen
brächte ein Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union für die Anwendung des
schweizerischen Strafrechts?, SchwZStrR 119 (2001), S. 94 ff;
• Ulrich Sieber, Die Zukunft des
Europäischen Strafrechts – Ein neuer Ansatz zu den Zielen und Modellen des
europäischen Strafrechtssystems, ZStW 121 (2009), S. 1 ff. |