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Integrationsseminar Recht und Politikwissenschaft: Restorative Justice: Konfliktbewältigung jenseits staatlicher Gerichte


Dozent/in Prof. Dr. iur. Michele Luminati; Dr. rer. pol. Stefan Rieder
Veranstaltungsart Blockveranstaltung
Code HS251185
Semester Herbstsemester 2025
Durchführender Fachbereich Nichtjuristische Wahlfächer
Studienstufe Bachelor Master
Termin/e Mo, 15.09.2025, 10:15 - 11:00 Uhr, 3.B48 (Einführungsveranstaltung)
Do, 13.11.2025, 14:15 - 18:00 Uhr, Externer Standort, Interface, Seidenhofstr. 12, Luzern
Fr, 14.11.2025, 09:15 - 17:00 Uhr, Externer Standort, Interface, Seidenhofstr. 12, Luzern
Weitere Daten Einreichung Essay bis 21. Dezember 2025
Umfang Blockveranstaltung
Inhalt Wie sollen Gesellschaften auf Unrecht reagieren?
Das Integrationsseminar widmet sich diesem grundlegenden Thema und untersucht die Potenziale von Restorative Justice als alternativen Ansatz zur Bewältigung individuellen und kollektiven Fehlverhaltens. Die klassische (Straf-)Justiz, insbesondere geprägt durch westliches Rechtsdenken, verfügt über bewährte institutionelle Strukturen, wird jedoch zunehmend für ihre Begrenzungen kritisiert: Opfer, Täter und Gemeinschaften beklagen häufig, dass ihre Bedürfnisse unberücksichtigt bleiben. Auch Justizpraktiker:innen empfinden Frustration über Verfahren, die gesellschaftliche Wunden eher vertiefen als heilen.
Restorative Justice eröffnet eine radikal andere Perspektive: Sie stellt Heilung, Verantwortung und die Wiederherstellung beschädigter sozialer Beziehungen in den Mittelpunkt – und nicht primär Bestrafung. Seit den 1970er-Jahren haben sich weltweit Programme entwickelt, die restorative Verfahren innerhalb oder neben dem bestehenden Justizsystem etablieren. Ihr Anwendungsbereich reicht dabei vom Strafrecht über schulische und institutionelle Kontexte bis hin zur Aufarbeitung historischer Unrechtsvergangenheiten und gesellschaftlicher Übergänge, etwa von autoritären zu demokratischen Regimen.
Das Seminar untersucht das normative und praktische Potenzial restaurativer Verfahren jenseits traditioneller Gerichte und staatlicher Autorität. Es stellt folgende zentrale Fragen: Welche theoretischen Konzepte und praktischen Modelle liegen der Restorative Justice zugrunde? Wie verhält sich dieser Ansatz zu bestehenden juristischen und politischen Institutionen? Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich im Spannungsfeld zwischen individueller Gerechtigkeit, öffentlichem Interesse und gesellschaftlicher Versöhnung?
Die Studierenden analysieren Instrumente der Restorative Justice aus juristischer und politikwissenschaftlicher Perspektive – von der Opfer-Täter-Mediation über Wahrheitskommissionen (truth commissions) bis hin zu innovativen Gemeindeprojekten bzw. praktische Umsetzungen der restaurativen Philosophie auf lokaler Ebene, die durch Freiwilligkeit, Inklusion, Dialogorientierung und soziale Heilung geprägt sind – und dabei bewusst auf formale staatliche Verfahren verzichten oder diese ergänzen. Dabei werden sowohl konkrete Fallstudien als auch normative Reflexionen systematisch eingebunden.
Im Zentrum des Seminars steht die kritische Analyse der Werte, Ziele und Umsetzungsbedingungen restaurativer Ansätze, insbesondere im Hinblick auf Machtasymmetrien, institutionelle Einbettung und kulturelle Sensibilität. Weiter sollen Fragen der Förderung, Regulierung und Evaluation von Restaurativer Justiz behandelt werden. Sie ist zudem auf dem Hintergrund demokratietheoretischer Ansätze wie z.B der deliberativen Demokratie zu reflektieren. Ebenso gilt es zu diskutieren, ob und wie politisch motivierte Verhaltensmuster wie z.B. Blame Avoidance auf die Umsetzung von Restaurative Justiz einwirken können.
Ein Kamingespräch mit Persönlichkeiten aus der Praxis – etwa aus Justiz, Mediation oder Menschenrechtsarbeit – wird das Seminar abrunden und Raum für persönliche Erfahrungsberichte, kritische Diskussionen und vertiefte Einsichten bieten.
Lernziele • Entwicklung eines interdisziplinären Verständnisses von Konfliktbewältigungsansätzen, insbesondere im rechts- und politikwissenschaftlichen Kontext
• Vertiefte Analyse und Anwendung der Konzepte, Werte und Verfahren der Restorative Justice auf konkrete Fallstudien
• Kritische Reflexion über die Chancen, Grenzen und gesellschaftlichen Auswirkungen nicht-staatlicher Konfliktlösungsmodelle
• Differenzierte Auseinandersetzung mit traditionellen und alternativen Konzeptionen von Recht und Gerechtigkeit im Spannungsfeld von Recht, Politik und Gesellschaft
Voraussetzungen Das Seminar richtet sich an Masterstudierende der Rechts- und der Politikwissenschaft. Fortgeschrittene Bachelorstudierende können auf Anfrage zugelassen werden.
Sprache Deutsch
Begrenzung Ja, 18 Studierende
Anmeldung Anmeldung via UniPortal vom 1. - 30. Sept 2025; gilt als Prüfungsanmeldung. Master Plus-Studierende werden prioritär zugelassen.
Prüfung - Benotete schriftliche Arbeit und Referat 3 Cr bei Anrechnung als Integrationsseminar MLaw + International Relations
- Schriftliche Arbeit und Referat (passed/failed) 3 Cr bei Anrechnung als nichtjuristisches Wahlfach
Abschlussform / Credits siehe oben / 3 Credits
Hinweise Gegebenenfalls Beitrag zu einem Working-Paper und Publikation
Hörer-/innen Nein
Kontakt michele.luminati@unilu.ch
Material Seminarunterlagen, insbesondere Literatur zur Einführung, werden auf OLAT zur Verfügung gestellt.
Anzahl Anmeldungen 0 von maximal 18
Literatur Literatur zum Einstieg
Domenig Claudio, Restorative Justice und integrative Symbolik: Möglichkeiten eines integrativen Umgangs mit Kriminalität und die Bedeutung von Symbolik in dessen Umsetzung. Bern 2008;
Jaccottet Tissot Chatherine/Kapferer Nils/Mona Marco, Pour une justice restaurative en Suisse, AJP/PJA (Zürich) 2016;
Malzahn Rehzi, Restorative Justice, Eine radikale Vision, Stuttgart 2022;
Zehr Howard, The Little Book of Restorative Justice, New York 2015;
Carlen Pat/Ayres Franca Leandro (Ed.), Justice Alternatives, New York 2020;
Kastner Fatima, Transitional Justice in der Weltgesellschaft, Hamburg 2015;
Weaver R. Kent (1986): The Politics of Blame Avoidance. Journal of Public Policy, 6(4), 371–398;
Habermas, Jürgen (1992): Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats. Frankfurt am Main: Suhrkamp;
Claudia Landwehr, Rainer Schmalz-Bruns (HRSG.) (2014): Deliberative Demokratie in der Diskussion, Herausforderungen, Bewährungsproben, Kritik, Nomos Baden-Baden.