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Wenn jede Epoche einen symbolischen Ort hat, dann ist es – was das Anthropozän betrifft – der 22.5 Meter tiefe und 130 Meter breite Crawford Lake in der kanadischen Provinz Ontario. Dort zeigt sich der prägende Einfluss, den das kollektive menschliche Handeln auf die Ökosysteme hat, auf exemplarische Weise, sagen Forschende. Sie haben an diesem Ort Spuren gesammelt – darunter Gesteinsproben, Sedimente vom Seeboden, Schlammsamples –, um den Vorschlag eines neuen erdhistorischen Zeitalters wissenschaftlich zu untermauern.
Dass es ein kleines Gewässer ist, welches für die grossen ökologischen und klimatischen Umwälzungen steht, die mit dem Begriff des Anthropozäns benannt werden, ist nur eines von vielen interessanten Details der Geschichte. Ebenso erstaunlich ist, dass eine seit fünfzehn Jahren beratende Fachkommission im Jahr 2024 entschied, weiterhin das Holozän als die erdhistorisch verbindliche Epoche anzusehen; das Anthropozän wurde mit 12 zu 4 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) aus geologischen Gründen vertagt.
Was bedeutet es, dass „wir“ also für wenige Jahrzehnte in einem Zeitalter zu leben glaubten, das nun wieder abgewickelt wurde? Welche Deutungshoheit fällt den Naturwissenschaften hier zu? Wie kam der Anthropozängedanke überhaupt in die Welt? Wie ist er zwischen den Wissenschaften, den Künsten, dem Alltag und dem Aktivismus hin- und hergewandert? Was tut das Anthropozän in der Gegenwart, wenn es – ob am Küchentisch, im Museum, im Radio oder an der Uni – um Klimakrisen (und die Handlungsspielräume darin) geht? Welche Forschungen verbinden sich mit dem Anthropozän, welche lebensweltlichen Vorstellungen, welche politischen Dinge? Und wie war das genau am Crawford Lake?
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